Jun 09, 2021
Gefördert durch Fulbright Germany forschte ich vom 02. Januar 2021 bis zum 05. Mai als Visiting Researcher an der University of Southern California (USC) in Los Angeles. Mein Betreuer und Gastgeber vor Ort war Prof. Dr. Paul Lichterman, den ich während seines Forschungsaufenthaltes in Frankfurt am Main kennenlernte. Es war mir eine große Freude dank Fulbright meine Forschung in den USA durchzuführen, mich mit Kolleg:innen zu verbinden und den Austausch mit Paul Lichterman weiterzuführen.
Im Zentrum des viermonatigen Forschungsaufenthaltes in Los Angeles standen gut situierte rumänische Migrant:innen der ersten oder zweiten Generation, deren Perspektive auf Arbeit ich erhob. Die Erhebung in den USA ist ein Teil meiner Dissertation, die in der Soziologie angesiedelt ist. In dieser beschäftige ich mit unter dem Arbeitstitel „Arbeit in Bewegung – kollektive Repräsentationen rumänischer Arbeitsmigrant*innen“ mit kollektiven Vorstellungen von Arbeit und den Folgen von diesen Arbeitsvorstellungen in den jeweiligen Arbeitskontexten. Arbeitsvorstellungen umfassen etwa, was unter guter Arbeit verstanden wird oder wofür Arbeit zu leisten ist.
Los Angeles ist im Vergleich zu vielen anderen Städten besonders hart von der globalen Corona-Pandemie betroffen gewesen. Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ergaben sich Änderungen an den vorgesehenen Erhebungsmethoden, etwa Beobachtungen in den jeweiligen Arbeitskontexten sowie in Kirchen oder Restaurants. Nach Ankunft stand daher die Recherche weiterer Beobachtungsorte und möglicher Interviewformate im Vordergrund, die keine direkte Anwesenheit des Forschers und der Teilnehmer voraussetzen, um das Gesundheitsrisiko zu minimieren. Mit dem geänderten Forschungsdesign welches nun Online-Beobachtungen und Interviews über Zoom oder Telefon vorsah, konnte die Forschungsfreigabe durch das Institutional Review Board der USC erreicht werden.
Die Forschung unter Pandemiebedingungen gestaltete sich als anspruchsvoll. Anfänglich antworteten etwa einige potentielle Interviewpartner:innen nicht auf Anrufe oder Emails und Gespräche an vielversprechenden Beobachtungsorten stellten sich als nicht einschlägig heraus. Der Zugang zu einzelnen Onlinegruppen war zudem stark reglementiert und mitunter verschlossen. Diese und weitere Forschungserfahrungen konnte ich mit den weiteren Teilnehmer:innen des Seminares von Paul Lichterman reflektieren. Das Seminar bot zudem die Gelegenheit zur Interpretation von anonymisierten Beobachtungsprotokollen und Interviewsequenzen und zur Diskussion erster Befunde. Als erster Befund zeigte sich, dass die Community von rumänischen Arbeitsmigrant:innen in Los Angeles eine relativ enge Gemeinschaft darstellt, die unterschiedliche Grade der Verbindung zu Rumänien aufweist. Als zweite vorläufige Einsicht lässt sich formulieren, dass die rumänische Community strukturiert ist nach Klasse und mannigfaltige Wechselbeziehungen nach Rumänien unterhält während der Lebensmittelmittelpunkt jedoch dauerhaft in den USA liegt.
In meiner Dissertation, deren Fertigstellung für Mitte 2024 geplant ist, werden die Ergebnisse meiner Forschung in den USA ein eigenständiges Kapitel darstellen. Zudem gehen die angeführten Befunde ein in die derzeit in Deutschland stattfindende Erhebung und dienen als eine Kontrastfolie. In der folgenden Analyse werde ich sie kontrastiv einbeziehen. Die Forschungserfahrungen in den USA haben mich zudem sensibilisiert für den Zugang zu rumänischen Wanderarbeiter:innen in Deutschland und die Strukturierung dieser Gruppe, die hauptsächlich dem Beschäftigungsstatus folgt.
Parallel zur Erhebung besuchte ich das Seminar „Qualitative Research Methods“ von Paul Lichterman. Während der Zeit vertiefte ich meine Methodenkenntnisse, knüpfte über wechselseitige Projektpräsentationen Forschungsbeziehungen mit anderen Doktorand:innen und lernte Publikationsanforderungen der in meinen Feld einschlägigen Journals kennen. Aus den Gesprächen und Treffen hat sich zudem ein Forum entwickelt, in welchem ich aufbereitete Forschungsergebnisse diskutierten werden kann. In zwei Sitzungen nahm ich an dem Workshop „Ethnography in Public Life“ teil, in dem ich im Sommer 2021 selbst einen Artikelentwurf zur Diskussion einreichen werde.
Über den Seminar- und Forschungskontext hinaus ergaben sich einschlägige Kontakte, etwa mit für mein Feld relevanten Professor:innen welche mir Lektüreempfehlungen gaben oder in Unterhaltungen mit Doktorand:innen der USC mit einem ähnlich gelagerten Forschungsprofil. In regelmäßigen Kolloquiumssitzungen auf Departmentebene lernte ich aktuelle Forschungsdiskussionen kennen. Des Weiteren fand ein regelmäßiger Austausch mit weiteren Fulbrighter:innen und Alumni des Fulbright-Programmes statt in Form von Treffen und gemeinsamen Wanderungen.
Mit Blick auf die weitere Zusammenarbeit freue ich mich kurzfristig auf die Präsentation meines Artikelentwurfes im Workshop an der USC sowie langfristig auf eine Fortführung der Diskussionen um die Bedeutungen von Arbeit, etwa in Form von Besuchen und Workshops.
Der Zeitpunkt des Aufenthalts, von Januar bis Mai 2021, stellte eine einmalige Gelegenheit auch die politische Landschaft der USA und gegenwärtige Diskussionen mitzuerleben. Zudem bot Los Angeles vielerlei Möglichkeit, Diversität und Miteinander in den Vereinigten Staaten zu beobachten und mitzuerleben. Von den vielen besonderen Momenten dieser vier Monate möchte ich einen aufgrund seines metaphorischen Gehalts hervorheben. Am Ende einer Wanderung, als sich mein Blick an die Umgebung gewöhnte, sah ich eine schwarze Schlange am Wegrand uninteressiert und gut getarnt liegen. Sie zeigte sich erst nach langem Hinsehen. Vielleicht verhält es sich mit der Schlange wie mit der Welt, die ihre vielfältigen Details erst der interessierten und langwierigen Beobachtung zeigt. Ich danke Fulbright, meinem Gastgeber und allen Unterstützer:innen für die Möglichkeit, genauer hinsehen zu können.