Jul 11, 2019
Mein Auslandssemester in den USA wäre ohne die deutsch-amerikanische Fulbright Kommission wahrscheinlich überhaupt nicht zustande gekommen: Sie unterstützt mich nicht nur finanziell durch ein Reisestipendium, sondern hat mich durch das Fulbright Summer Institute 2017 auch letztendlich davon überzeugt, mich auf den Austauschplatz an der Fitchburg State University zu bewerben.
“Fitchburg? Wo ist das denn?” – das war die Standard-Reaktion meiner Freunde und Bekannten, als ich ihnen von meinen Auslandsplänen erzählte. Um ehrlich zu sein sagte auch mir die 40.000-Einwohner-Stadt in Massachusetts nichts, bevor ich mich auf einen Austauschplatz dort bewarb. Inzwischen ist sie aber zu meinem „home away from home“ geworden.
Dass ich während meines Bachelor-Studiums ein Auslandssemester machen wollte, war für mich vom ersten Semester an klar. Die Hochschule der Medien in Stuttgart, an der ich seit dem Wintersemester 2015 Crossmedia-Redaktion studiere, hat über 100 Partnerhochschulen auf der ganzen Welt, was mir die Entscheidung nicht gerade erleichterte. Die USA reizten mich besonders, doch die hohen Kosten für ein Auslandssemester dort schreckten mich zunächst ab. Im Sommer 2017 nahm ich dann jedoch am Fulbright Summer Institute für Fachhochschulstudierende am Washington & Jefferson College in Pennsylvania teil und diese Erfahrung überzeugte mich davon, mich doch für einen Austauschplatz in den USA zu bewerben.
Die „liberal arts“-Lehrmethode, bei der die Professoren und Studenten ein sehr persönliches Verhältnis zueinander haben und in kleinen Gruppen intensiv diskutieren, hat mir während des Summer Institutes sehr gut gefallen. Statt auf Auswendiglernen setzt diese Methode darauf, dass die Studierenden verschiedene Standpunkte betrachten und sich daraufhin eine fundierte eigene Meinung bilden. Ich wollte diese Methode gerne in meinem eigenen Fachbereich, dem Journalismus, anwenden. Zudem hatte ich während meiner Zeit am W&J College nur sehr wenig Kontakt zu amerikanischen Studenten, da der Campus während der Summerbreak überwiegend leer war. Ich hatte größtenteils mit den 22 anderen deutschen Teilnehmern zu tun, was auch schon eine sehr bereichernde Erfahrung war, aber ich wollte noch tiefere Einblicke in die amerikanische Kultur erhalten und meine Englischkenntnisse weiter verbessern. Deshalb verglich ich unsere amerikanischen Partnerhochschulen und bewarb mich schließlich auf einen Austauschplatz an der Ficthburg State University.
Für diese Universität entschied ich mich aufgrund ihres umfangreichen Film- und Video-Programms. Nach meinem Studienabschluss möchte ich beim Rundfunk arbeiten, deshalb wollte ich meine Kompetenzen in diesem Bereich erweitern. Außerdem unterhielt ich mich mit meiner Vorgängerin und die war von ihrer Zeit hier in Fitchburg so begeistert, dass sie ihren Aufenthalt sogar um ein Semester verlängerte. Ich interpretierte das als gutes Zeichen und bereue meine Entscheidung bis heute nicht.
Ich belege hier vier Kurse mit jeweils 3 Credits, was insgesamt 24 ECTS entspricht. Das ist die Mindestanzahl an Credits, die man in Massachusetts als Undergraduate-Student erbringen muss, damit man als Vollzeit Student gewertet wird und das Studentenvisum gültig ist. Das Studium erinnert mich eher an Schule: Die Klassen sind sehr klein mit ca. 16-25 Studenten, ich habe wöchentliche Abgaben, Hausaufgaben und muss Sachbücher als Pflichtlektüre lesen. Gleichzeitig arbeite ich an sehr vielen Projekten, da ich eher praxisorientierte Kurse gewählt habe: Ich produziere Kurzfilme, TV-Beiträge und Animationen, sowohl alleine als auch in Teams. Der Workload ist hoch, aber die Produktionen machen mir sehr viel Spaß und ich lerne durch die praktische Anwendung extrem viel Neues. In einem meiner Kurse arbeiten wir mit der Fitchburg Access Television Station „FATV“ zusammen. Volunteering macht einen Teil der Note aus, deshalb helfe ich regelmäßig bei Live-Übertragungen mit, sei es als Kamerafrau bei den Football-Spielen unserer College Mannschaft oder als Tonbeauftragte einer Politik-Talkshow.
Neben den akademischen Pflichten bleibt mir zum Glück auch noch genug Zeit für außerschulische Aktivitäten: Ich singe im Concert Choir, tanze Jazz und Lyrical im Dance Club, habe mich für den Ski- und den Outdoor Club angemeldet und treffe mich jeden Dienstag mit dem „Stammtisch“, einigen Uni-Angestellten, die Deutsch sprechen und immer darauf brennen, mehr über Deutschland zu erfahren. Generell gibt es hier für sämtliche Interessen einen Club, der sich einmal wöchentlich trifft. Neben den Club-Meetings werden auch einmalige Events und Aktionen angeboten, vom Karaoke-Abend über Kuscheln mit Therapie-Hunden, um Stress abzubauen, bis hin zum Kürbisschnitzen an Halloween. Langweilig wird mir hier nie! Ein weiterer wichtiger Punkt meiner Freizeit Gestaltung ist Sport: Alle Studenten können das Recreation Center mit Schwimmbad, Fitnessraum und Sporthallte kostenlos nutzen. Zudem unterstütze ich unsere Wettkampf-Teams und versuche zu so vielen Heimspielen wie möglich zu gehen: Ich bin mit vielen Athleten befreundet und habe mich von der Begeisterung für Sport, die hier in New England beinahe schon an Besessenheit grenzt, anstecken lassen. Abends schauen wir regelmäßig die Spiele der New England Patriots oder der Boston Red Socks an.
Freunde zu finden war hier definitiv nicht schwer: Alle Leute, die ich kennen gelernt habe, waren sehr offen, freundlich und an der deutschen Kultur interessiert. Es macht mir Spaß, mich über Unterschiede zu unterhalten und meine Sicht auf amerikanische „Eigenheiten“ zu teilen. Der Campus der Fitchburg State University ist sehr familiär und mir gefällt vor allem, dass es hier nicht so viele internationale Studierende gibt. Von meinen Freunden, die ebenfalls ein Auslandssemester gemacht haben, habe ich oft mitbekommen, dass Internationals sich ihre eigene „Bubble“ aufbauen und wenig Kontakt zu Einheimischen haben. Neben mir gibt es hier in diesem Semester nur drei weitere Austauschstudenten, meine anderen Freunde kommen überwiegend aus Massachusetts. Ich lebe hier das typisch amerikanische Campus-Leben mit Studentenwohnheim, Mensa-Essen und Hauspartys. Am Wochenende verwandle ich mich dann aber doch manchmal in eine Touristin und erkunde Boston, Salem oder andere spannende Städte in New England. Ich bin sehr dankbar für die Zeit, die ich hier verbringen darf, und lege absolut jedem ans Herz, auch ein Auslandssemester in den USA zu machen.