Nov 15, 2018
Seit August studiere ich Aerospace Engineering als Austauschstudent an der Purdue University in West Lafayette, Indiana. In Deutschland studiere ich im Master Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart. An die Purdue University kam ich mit Hilfe eines Austauschprogramms meiner Heimatuniversität. Während meines einsemestrigen Aufenthalts werde ich durch das Reisestipendium der Fulbright-Kommission unterstützt.
Der Organisationsaufwand für den Aufenthalt ist nicht zu unterschätzen. Selbst mit einem bestehenden Austauschprogramm zwischen Heimat- und Gasthochschule sollte man ausreichend Zeit für die Beantragung des Visums, Einschreibung an der Gasthochschule und Organisation des Wohnheimplatzes einplanen. Warum es den ganzen Aufwand aber definitiv wert ist, versuche ich nachfolgend darzulegen.
Bereits vor dem Abflug lud die Fulbright-Kommission zu einem Vorbereitungsseminar nach Berlin ein. Neben interessanten Vorträgen zu politischen und gesellschaftlichen Themen, musikalischen Darbietungen und Projektberichten anderer Stipendiaten war auch ausreichend Zeit zum direkten Austausch vorhanden.
Zunächst verschaffte ich mir einen Überblick über den, verglichen mit Stuttgart, sehr großen Campus. Ein Fahrrad ist zu empfehlen, da die Wege doch relativ weit sind. Das Radwegenetz der Purdue University ist recht gut ausgebaut und es gibt zudem die Möglichkeit elektrische Roller auszuleihen. Auch Shuttle-Busse fahren während den Vorlesungszeiten in regelmäßigen Abständen.
Ein paar Tage sollte man zum Einrichten seiner Unterkunft einplanen, je nach Wohnheim sind kaum Einrichtungsgegenstände vorhanden. Zudem müssen vor Ort noch Termine zum Erhalt des Visumsstatus und der endgültigen Registrierung an der Universität wahrgenommen werden. Die Fulbright Association an der Universität bot von Anfang an Kontakt zu Studenten, die schon länger hier studieren und half so wesentlich bei der Orientierung.
Als eigenständiger Studiengang wird Aerospace Engineering international nur an wenigen Universitäten angeboten. Auch der gute Ruf der Purdue University war ein Entscheidungskriterium für mich. Die Universität brachte 23 Astronauten, darunter Neil Armstrong und Gus Grissom, hervor. Daher stammt auch der Spitzname Cradle of Astronauts. Purdue bietet zudem eine große Auswahl an weiteren Ingenieursstudiengängen, wie zum Beispiel Maschinenbau, Bauingenieurwesen und Elektrotechnik.
Die Ausstattung der Universität ist hervorragend. Nicht nur die Vorlesungsräume sind technisch auf dem neusten Stand, auch die unterstützenden Online-Angebote funktionieren gut. Ein großes Plus sind die Sportanlagen. Für alle Studenten steht ein großes Sportzentrum unter anderem für Tennis, Squash, Badminton, Klettern, Tischtennis und Schwimmen zur Verfügung. Wer lieber für sich trainiert, findet auch Fitnessgeräte aller Art.
Grundsätzlich sind die einzelnen Kurse deutlich umfangreicher als in Deutschland. In jedem Fach gibt es dreimal die Woche Vorlesungen, diese dauern jedoch nur 50 Minuten. Außerdem müssen regelmäßig benotete Hausaufgaben abgegeben und je nach Fach mehrere Prüfungen geschrieben oder Projekte eingereicht werden. Die Hausaufgaben waren die größte Umstellung für mich, da ich einen eigenständigeren Lernprozess aus Deutschland gewohnt war. Andererseits wird so kontinuierlich gelernt und die finale Note ist das Ergebnis vieler Einzelleistungen.
Das Angebot an Clubs an der Universität ist sehr umfangreich und es sollte sich für jeden eine passende Aktivität finden. Ich persönlich bin unter anderem Mitglied des Outing Clubs. Dieser organisiert Outdoor-Aktivitäten wie Klettern, Kayak fahren und Rafting, Montainbiken, Caving und Wandern. Die Ausflüge bieten gute Gelegenheiten um neue Sportarten auszuprobieren und auch die Nachbarstaaten näher kennen zu lernen. Der Club verfügt über die notwendige Ausrüstung und als Mitglied kann diese jederzeit ausgeliehen werden. Das war für mich sehr praktisch, da ich keine komplette Campingausrüstung aus Deutschland mitbringen konnte.
Außerdem übe ich mich im Juggling Club im Jonglieren. Auch hier steht alles erdenkliche Equipment zur Verfügung und auch ohne Vorerfahrung kann jonglieren erlernt werden. Der Club tritt außerdem bei Shows auf. Es macht wirklich Spaß, mit und von anderen Studenten neue Tricks zu lernen.
Allgemein sollte man die Entfernungen nicht unterschätzen: der Bundesstaat ist groß und recht dünn besiedelt. Für weiter entfernte Ziele sollte man definitiv auf ein Auto zurückgreifen, da viele Orte (abgesehen von Chicago und Indianapolis) mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kaum zu erreichen sind. Die meisten amerikanischen Studenten besitzen ein Auto, so dass ich auf den von den Clubs organisierten Ausflügen immer eine Mitfahrgelegenheit gefunden habe. Mit dem Auto erreicht man von Lafayette aus die größeren Städte Indianapolis in circa eineinhalb Stunden und Chicago in gut zwei Stunden. Meine bisher schönsten Ausflüge hatten den Shades State Park (sehr empfehlenswert für kleinere Wanderungen), Red River Gorge in Kentucky (Klettermekka), West Virginia (Klettern und Kayak fahren im Wildwasser), South Bend (ebenfalls mit dem Kayak) und Chicago zum Ziel. Beeindruckend war auch der Besuch eines nahegelegenen Observatoriums. Durch die geringe Lichtverschmutzung hat man einen exzellenten Blick auf den Nachthimmel.
Etwa die Hälfte meines Aufenthalts ist nun vorbei, gerade in den letzten Wochen verging die Zeit wie im Flug. Neben den akademischen und sprachlichen Erfahrungen werden mir definitiv die zahlreichen Ausflüge und die Begegnungen mit Menschen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen in Erinnerung bleiben. Besonderen Spaß hat mir außerdem das Ausprobieren neuer Sportarten gemacht.
Ich kann einen Auslandsaufenthalt uneingeschränkt für jeden empfehlen, der sich sprachlich, akademisch und aber auch kulturell weiterbilden möchte. Ich denke, es ist eine bereichernde Erfahrung, ein Austauschsemester oder sogar einen kompletten Abschluss in einem fremden Land zu absolvieren, die man nach dem Studium vermutlich nur schwer sammeln kann.
Insgesamt empfinde ich den Aufenthalt als sehr erfüllend und spannend. Ich möchte der Fulbright-Kommission an dieser Stelle herzlich für die Unterstützung vor und während meines Aufenthalts danken.